// --------------- kein Maillink //
Multiple Choice?  



Um
Interaktivität
wird seit Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts des vergangenen Jahrtausends viel
herumfabuliert. Der risikoscheue Medienproduzent mit der üblichen Geldfixierung versteht darunter die großartige Möglichkeit, sich zwischen 2 vorverdauten Alternativen durch Klick zu entscheiden. Hammer!

Das war auch der Hauptgrund dafür, daß das Buch schlechthin trotz aller Hetzrufe nicht vor der Jahrtausendwende starb und durch so
flotte CD-ROMs ersetzt wurde. Egal, MISSIS RAINTOWN hat da etwas differenziertere Wünsche an Interaktivität.

Die Band versteht sich als
songorientierte Geschichtenerzähler, denen kein Medium zu fremd und keine Idee zu undenkbar ist, wenn es darum geht, Fragen beseelt anzureißen und sich irgendwie begreiflich zu machen im eigenen Ringen um mögliche Antworten.

Interaktion bedeutet für MISSIS RAINTOWN, daß das Verhalten des Gegenüber immer auch gestalterisch eingreift in das, was ich selbst als nächstes denken, sagen und tun werde. Schon allein daher wird die
Grenzlinie zwischen Künstler und Publikum belebend zerfasert.

MISSIS RAINTOWN interessiert sich für so etwas wie
"wahre Interaktion". Das bedeutet, daß die gegenseitig hervorgerufenen Reaktionen tatsächlich individuell aufeinander eingehen, anstatt nur Entscheidungen zwischen Standardwahlmöglichkeiten abzufragen. Klar gibt es Situationen, wo es Sinn macht, einfach ein paar Dinge anzukreuzen und gut ist. Aber richtig spannend wird es, wenn man differenziert hinhört, zwischen den Zeilen liest, nachfragt und die Geschichte des Gegenüber so nimmt, wie der sie erlebt hat.

Deshalb hat MISSIS RAINTOWN ein gesteigertes Interesse an einem Gedankenaustausch jenseits von Formularen. Man erlebt den anderen viel greifbarer, wenn man sich die Chance gibt, ihn nicht
in das eigene Raster zu tackern. Davon frei zu bleiben, ist richtig schwierig.

Ein Versuch in diese Richtung war das "
GROOVE ON DEMAND"-Projekt, bei dem jeder sich auf der Website von MISSIS RAINTOWN kostenlos eine Auftragskomposition für einen besonderen Anlaß eines Freundes bestellen konnte. Detailliert durfte man da die Vorlieben und pikanten Details aus dem Leben des Adressaten erzählen, um der Band die Möglichkeit zu geben, einen maßgeschneiderten Song zu komponieren. Auch Textideen und eine genaue Beschreibung des Anlasses (Geburtstag, Jubiläum, Versöhnung etc...) waren erwünscht. Die Band schrieb dazu individuell ein Stück, dessen MP3-File der Auftraggeber einige Tage später auf der Band-Site abholen konnte. Zwar war der Aufwand natürlich beträchtlich. Aber dafür entstand so etwas wie "wahre Interaktion" - der Auftraggeber fand sich individuell mit seiner Situation im fertigen Song wieder.

In wieweit der durchschnittliche Mitteleuropärer zu Beginn des 21. Jahrhunderts überhaupt im Stande ist, über das Anklicken verschiedener vorgegebener Optionen hinaus zu denken und den Wert einer wirklichen Interaktion zu schätzen, ist
etwas, das MISSIS RAINTOWN herausfinden will. Es läßt sich ohne Zweifel eine gewisse Lethargie beobachten. Ausgemergelte Vollzeitarbeitnehmer finden in ihrem knapp bemessenen Feierabend oft nicht mehr aus der Passivität ihres Fernsehsesseldaseins heraus. Das Anklicken vorgegebener Optionen ist da oft schon zu viel. Sich hinzusetzen und eine Mail zu schreiben oder sich gar an einem Songtext-Ideenwettbewerb zu beteiligen, ist für viele eine unerträgliche Zumutung.

Die Motivationskraft prickelnd gestalteter Medien kann da manchmal aber doch Wunder bewirken. Auf der enhanced CD "THIS IS HOW A MISSIS PISSES" bot MISSIS RAINTOWN ein pralles Adventure-Game rund um die Band an, welches den einen oder anderen doch vom Fernseher wegsog. Das Computermagazin c't lobte:
"...Noch beeindruckender ist der überaus phantasievolle Datentrack, der mehr Ideen hat als sich David Bowie und George Michael für Geld kaufen können... Locker, sympathisch, bitte mehr!"

Und das Lob beziehen die Jungs der Band auch darauf, daß das Spiel alles andere als Werbung, flaches Marketing oder dürre Beigabe zu den 8 Songs der CD ist. Diese Art von interaktivem Rätsel- und Experimentier-Abenteuer ist genau jene Art von Multimedia, welche HIKE O. und DONE E. LOW schmerzlich bei ihren Lieblingsbands vermissen. Fragt man Leute aus der Musikbranche, warum bekannte Bands nicht so eine Art von Computerspiel auf ihre CDs machen, kommt die lapidare Antwort:
"Dadurch wird keine CD mehr verkauft." Bestechende Logik - aber MISSIS RAINTOWNs gedankliche Mechanismen ticken da etwas anders.


 
   
   
 
 
   
 

 
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